Dienstag, 24. Juli 2018

On the road to freedom: Kindheitserinnerungen an elektrische Gitarren (Teil 1)

Die Liste der gesuchten Alben sowie Bücher, die man über Free, Lynyrd Skynyrd, Stevie Ray Vaughan und Konsorten noch hören bzw. lesen will, ist schier endlos und wir stetig eher länger, als kürzer - und doch lohnt es sich in jedem Fall, als Sammler auch mal den Blick nach hinten zu richten: Was habe ich eigentlich schon alles gehört, gesehen, gelesen - aufgesogen?
Ein solcher Prozess ist ganz logisch, stellt doch gerade dies das Sicherheit gewährende Element am Sammeln dar - die Gewissheit, dass da immer "etwas ist", woran man sich wenden und mit dem man sich beschäftigen kann, komme, was wolle! Das eigene Umfeld verändert sich, man wird älter, die Ziele und Wünsche im Leben variieren - aber das Solo jedes Alice Cooper-Songs zwischen 1986 und 1994 wird man auf ewig vollkommen auswendig mitfühlen können. Die Musik spricht gewissermaßen in ihrer Vertrautheit so zu einem, wie es sonst nur ein treuer, alter Freund kann...
Und deswegen dachte ich mir in den letzten Tagen: Ich komme sowieso nicht hinterher, hier alle meine Vinyl- und sonstigen Neuigkeiten vorzustellen - und letztlich ist es ja auch nicht immer gewinnbringend, über Alben zu reden, die man vielleicht noch nicht einmal gehört hat. Stellen wir hier also doch mal wieder etwas vor, bei dem ich wirklich genau weiß, wovon ich rede und was alles Nachkommende gewissermaßen erst ermöglicht hat.

Jeder Musiksammler und -liebhaber erinnert sich (hoffentlich) an eine Zeit in seiner Kindheit, in der sich entscheidend etwas für ihn verändert hat und die Sucht sozusagen begann: Vielleicht kam der große Bruder mit einer AC/DC-Platte in der Hand ins Zimmer und danach war die Welt nie wieder wie zuvor. Vielleicht hat man auch im Urlaub irgendwo ein CCR-Cover in einem Lokal gehört und fing deswegen dann später das Gitarrespielen an. Die Variationen sind endlos und jede einzelne, persönliche Geschichte ist meiner Meinung nach viel wert - (ich würde gerne einmal eine Art Sammelband zu solchen Geschichten erstellen, aber dies nur so als Gedanke am Rande...) - jedenfalls erinnere ich mich bei meiner Kindheit an die riesengroße, silberfarbene Anlage meines Vaters, die bei uns immer irgendwie in der Wohnung herumgeisterte. Sie stand lange Zeit in meinem Kinderzimmer und ich weiß ehrlich gesagt nicht mehr so wirklich, wie sie dort hingekommen ist...
Was ich mir vorstellen könnte: Meine Mutter wollte das Ungetüm mit den riesigen Standboxen einfach nicht mehr länger im Wohnzimmer haben [über ein solches Ereignis bin ich übrigens auch sehr günstig an meine heutigen Standboxen gekommen...] und da ich damals wohl schon sehr musikbegeistert schien und man sie nicht einfach entsorgen wollte, wurde sie kurzerhand in mein Zimmer verfrachtet. Einige Jahre lang stand die Anlage jedenfalls aber noch bei uns im Wohnzimmer, denn ich erinnere mich daran, wie ich auf ihr (mit vielleicht 8 oder 9 Jahren?) sehr ehrfürchtig dem RTL Radio "Oldiesender" lauschte - einem Sender, der mich extrem geprägt haben muss, denn dort liefen eben nur die 50er, 60er, 70er (und damals vielleicht noch frühen 80er) Jahre - Also die Troggs, Elvis, die Mamas & Papas, Elton John, Stones, Beatles... sowas halt.

Ich habe diesen Sender gefühlt meine ganze Kindheit bis mindestens 12 im Hintergrund gehört und liebte schon damals viele Songs, die dort gespielt wurden. Wer das alles genau war und worum es eigentlich ging - das war damals natürlich alles noch gar nicht wichtig und mir meist auch völlig unbekannt. Es zählte nur das Gefühl, welches dieser Sound in mir auslöste. Irgendwie spürte ich unterbewusst schon damals, dass diese Musik roh und handgemacht war und die Stimmen klangen alle so authentisch und vertrauenswürdig... wahrscheinlich spielte auch die Freude meiner Eltern eine Rolle, welche sie ausstrahlten, wenn ein Song lief, den sie aus ihrer eigenen Jugend kannten und liebten. (Das Bild meiner zu "Wild Thing" im Wohnzimmer herumtanzenden und -singenden Mutter werde ich wohl niemals vergessen ;)) Ja, das waren also die großen Radiozeiten bei uns zuhause! Aber irgendwann gingen auch diese - wie alles - vorbei - wer weiß, wieso eigentlich... 

...die große Anlage kam in mein Zimmer und wurde durch eine dieser kleinen, unliebsamen x-in-1-Kompaktanlagen ersetzt, die zwar irgendwie alles können, aber dabei stets nach gar nichts klingen. Auch das war mir als Kind schon irgendwie bewusst: Die "neue" Anlage meiner Eltern taugte nichts und ich konnte sie nicht leiden! Alles war aus Plastik und alles war so klein und unscheinbar... viele, viele Features waren nicht mehr vorhanden, sehr spartanisch sah das alles aus. Klang kam da auch nicht raus... ich liebte und verteidigte daher umso abgöttischer die Anlage meines Vaters: Gebürstetes Metall als Frontverkleidung, Standboxen in Holzverschalung mit dickem Samt vor den eigentlichen Lautsprechern (die so schwer waren, dass ich sie damals noch nicht alleine bewegen konnte), gefühlte 100 Knöpfe und Regler am Verstärker... und natürlich separate Bauteile für sämtliche Funktionen: Zwei Kassettendecks, Tuner, Amp, (+ Preamp?), CD-Player - nur: ein Plattenspieler fehlte! Aus heutiger Sicht ein unglaublicher Frevel!
Anyway: Da die glorreichen Radiozeiten bei uns zuhause vorbei waren und diese alleine auch nicht mehr wieder zu beleben waren (Radiohören machte eben nur mit meinen Eltern zusammen wirklich Spaß), fing ich gelangweilt/verzweifelt an, die (damals auf mich riesig wirkende) CD-Sammlung meiner Eltern zu durchforsten - aus heutiger Sicht weiß ich, dass das alles nicht wirklich so tolles Zeug war: Viele, viele Sampler und nur wenig originale Studioalben; viel Kaufhausramsch also. Doch ich fand dennoch unbewusst, nach was ich suchte: Musik, die mir wieder dieses seltsame Glücksgefühl der guten, alten Radiotage bescherte. So langsam aber sicher begriff ich, dass es dabei vor allem die Gitarren waren, die dieses Gefühl hervorbrachten: Elektrische Gitarren klangen für mich wie der Inbegriff von Power und Rebellion (was ich damals natürlich noch gar nicht wirklich ausformulieren konnte), ein Gefühl, das mich wie wild durch mein Zimmer hüpfen ließ...
Nach und nach fand ich immer konkretere Vertreter dieses Sounds - zum Beispiel diese hier:




...man beachte vor allem die Stelle ab 1:00, um zu nachzuvollziehen, was ich meine...


Doch jeder Lehrling findet irgendwann seinen Meister - und diesen fand ich in Form des Songs "Still Loving You" von den Scorpions. Versteckt zwischen einer Menge Schnulzenballaden prangte dieser Gitarrenepos auf irgendeinem Sampler meiner Eltern - und blies mich einfach nur um! Das ewig lange Solo am Ende des Songs ist selbst aus meiner heutigen Sicht immer noch eins der geilsten 80er-Jahre-Solos überhaupt! Dazu Klaus Meines schmachtend-flehende Stimme und überhaupt diese epochale Grundstimmung des Songs voller Schmerz, Verlust und Verzweiflung. Natürlich, aus heutiger Sicht wirkt das auch alles etwas überkandidelt und vielleicht kitschig, aber dennoch bereitet mir der Song - wenn ich ihn irgendwo noch mal zufällig höre - immer noch Gänsehaut.
Danach wusste ich, was ich wollte: Mehr von GENAU SOLCHEM ZEUG!

Und dann geschah das Wunder: Die Kollektion an Songs, die mich unwiederbringlich und für immer in die Arme des Rock n' Roll treiben sollte, erreichte mich auf Umwegen... überbracht durch einen Mittelsmann, der dies später noch gründlichst bereuen sollte!

(Erfahren Sie mehr im bald folgenden zweiten Teil dieser Abhandlung - don't touch that dial!)

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